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Interview mit Schriftstellerin Marie-Laure de Noray-Dardenne

Veröffentlicht am 22.01.2012 - Ansicht die Kommentare

In Zusammenarbeit mit Buchet Chastel geben wir euch in unserem Ecoblog einen Einblick in die Erinnerungen und Erlebnisse, die die Schriftstellerin Marie-Laure de Noray-Dardenne während ihres Aufenthalts in Banc d’Arguin und bei zahlreichen Gesprächen mit den Imraguen gesammelt hat. Deren Erinnerungen, Worte und Lebensgeschichten ergeben Portrait-Skizzen. Die folgenden Texte sind Auszüge aus ihrem Buch Le Livre des Imraguen, veröffentlich im Buchet Chastel Ecologie Verlag, 2006.

1. Hallo Marie-Laure, kannst du uns zu Beginn etwas von deinem Lebensweg erzählen?
Sowohl beruflich als auch privat bin ich dem afrikanischen Kontinent seit über 20 Jahren eng verbunden. Es fing damit an, dass ich als Freiwillige für zwei Jahre nach Mali gereist bin, um mich dort um Weiterbildungs- und Informationsprogramme französischer Freiwilligenorganisationen zu kümmern. Nach meiner Rückkehr nach Frankreich wollte ich weiterhin im Bereich der Entwicklungsarbeit tätig sein, also habe ich ein Studium der Kommunikationswissenschaften abgeschlossen und anschließend noch Soziologie und Entwicklung studiert, während ich gleichzeitig in einer NGO gearbeitet habe. Später bin ich dann mit meinem Ehemann und meinen zwei Kindern nach Mali zurückgekehrt, wo wir insgesamt fünf Jahre geblieben sind.

2. Würdest du dich als Naturschriftstellerin bezeichnen?
Ja, das ist der Kern meiner Arbeit. Ich versuche, die Tätigkeit des Schreibens mit einem qualitativen Ansatz der Soziologie zu verbinden. Projekte wie das Buch über die Imraguen sind eine tolle Möglichkeit, meinen Beruf auszuüben. Ich fühle mich dann als Fürsprecherin und nicht nur als simpler Federhalter! Ich möchte, meinen Teil zur nachhaltigen Entwicklung beitragen, indem ich den Menschen vor Ort eine Stimme gebe und versuche, soweit es mir möglich ist, ihren Gefühlen Gehör zu verschaffen. Ich schreibe meine Bücher – ganz besonders das über die Imraguen – für die Menschen an diesen Orten. Es ist ihr Buch, deshalb auch die Wahl des Buchtitels.

3. Hast du noch andere Bücher zum selben Thema geschrieben?
Vor einigen Jahren war ich wissenschaftliche Mitarbeiterin am IRD (das frz. Institut für Entwicklungsforschung) für ein Programm, das sich mit dem inneren Niger-Delta befasste. Gemeinsam mit einem Fotograf mit dem ich zusammenarbeitete, bin ich zu den Menschen gegangen, die auf diesem Schwemmland leben. Ich habe mir angehört, was sie über die Ergebnisse dieses Programms denken und habe darüber eine Arbeit verfasst. Man könnte so etwas als Popularisierung der Wissenschaft bezeichnen – obwohl ich diese Bezeichnung eigentlich nicht mag! Einige Zeit später hat mich die IUCN („Internationale Union für die Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen“) kontaktiert und mich gebeten, eine ähnliche Arbeit in Kamerun zu machen – eine Art globale Aufnahme von Menschen, die auf ähnlichen zeitweise überschwemmten Ebenen leben. Aber dieses Mal wollte ich für die Entstehung der Fotos mit jungen Schülern aus der Region arbeiten, die Mitglied in Umweltorganisationen waren. Wir gaben ihnen, jeweils zwei Schülern eine Einwegkamera. Einige von ihnen haben sich als exzellente Fotografen entpuppt!

4. Wie hast du das Banc d’Arguin und die Imraguen kennengelernt?
Die FIBA (eine private Stiftung für das Banc d‘Arguin) ist ein Partner der IUCN. Ich denke, dass sie wohl meine bisherigen Arbeiten geschätzt haben, denn sie haben mir erneut ein ähnlich strukturiertes Projekt vorgeschlagen. Mit dem Unterschied jedoch, dass es dieses Mal darum ging, die Fischer der westafrikanischen Küste miteinander zu vergleichen: Die Bijaros, die Imraguen und die Fischer des Saloum-Deltas – ein umfangreiches Programm! Anschließend hat sich das Thema aus verschiedenen Gründen auf die Imraguen eingeschränkt. Das Projekt hat insgesamt zwei Jahre gedauert. Während dieser Zeit bin ich völlig in das Thema eingetaucht und habe vier Reisen ins Banc d’Arguin unternommen. Ich brauchte einige Zeit, um das Gebiet zu durchstreifen, Informationen zu sammeln, zu verstehen, und auch, um selbst zu reifen. Ich hatte nicht erwartet, dass die Frauen dort eine solche Redefreiheit haben…ich habe mich sofort wohlgefühlt.

Dort unten ein Interview zu führen, das braucht Zeit: Es ist heiß, man trinkt nebenher Tee… Eines Abends, als ich mich ins Bett gelegt habe, wurde mir bewusst, dass ich an diesem Tag 21 Gläser Tee getrunken habe! Ich sagte mir, dass es jetzt wohl an der Zeit wäre endlich mit dem Schreiben anzufangen, selbst wenn es mir schwer fiel dort unten mein Notizbuch auszupacken. Ich war insgesamt zweieinhalb Monate vor Ort. Dieses Buch ist eigentlich eine Gemeinschaftsarbeit. Ich habe die Kameras den Frauen gegeben, den Fischern… Zwischen zwei Dorfbesuchen im Park habe ich DinA4-Abzüge der Fotos gemacht und mitgebracht, damit die Leute sie kommentieren und sich an der Auswahl beteiligen konnten.

5. Bei Büchern über das Banc d’Arguin steht oft das Naturerbe im Mittelpunkt. In deinem Buch hingegen überlässt du das Wort den Imraguen, den Bewohnern des Banc d’Arguin.
Ja genau, aber es war freiwillig. Das stimmt, Bücher über das Banc sind oft historisch orientiert. Ich finde sogar, dass sie teilweise einen regelrecht engelhaften Einschlag haben. Es ist zu klischeehaft…die Fische im Einklang mit den Delfinen…ich habe versucht, mich von diesen klassischen Motiven fernzuhalten. Ich wollte in den Alltag der Imraguen eintauchen, wollte im Alltag dieser Menschen, der gleichermaßen von Natur und Stadt geprägt ist, das Widersprüchliche entdecken und kennenlernen. Sie symbolisieren auf perfekte Weise die Vor- und Nachteile, die damit verbunden sind, innerhalb geschützter Gebiete zu leben. Geschützt ja, aber nicht zwangsläufig im Sinne der Bewohner. Sie machen auch ein sehr grundsätzliches Problem deutlich: Wem gehört ein bestimmtes Gebiet? Ich bin sehr stolz auf das Vorwort von Abou. Er ist Soziologieprofessor und geht genau auf diese Thematik ein.

6. Kennst du unseren Champion Sidi Ely und seine Projekte?
Ja, ich kenne ihn! Ich habe ihn sogar bereits interviewt; er hatte viele Ideen! Wir haben lange über den optimalen Umgang mit Touristen diskutiert. Es war sehr interessant. Er ist sehr neugierig, voller Energie, neuer Ideen und Tatendrang!

7. Ganz genau. Gibt es bestimmte Initiativen/Projekte im Banc d’Arguin, die dich in Bezug auf die Umwelt besonders überzeugen?
Die Idee, vor Ort eine Schiffswerft aufzubauen, um die Lanche (ein in dieser Gegend typisches hölzernes Segelboot) wieder zum hauptsächlich verwendeten Fischereiboot zu machen, war großartig. Dadurch wurden mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Es wurde eine Alternative zu der seit einiger Zeit verbotenen „motorisierten“ Fischerei geschaffen; es entstand ein hochwertiges handwerkliches Gewerbe, und nicht zuletzt ist es das Produkt eines nützlichen und wertvollen Erfahrungsaustausches zwischen Nord und Süd.

8. Our future is green! Glaubst du, dass dein Buch und eine Initiative wie Ecofund eine positive Auswirkung auf den Umweltschutz haben können?
Ein Buch bleibt ein Buch und eine Internetseite bleibt eine Internetseite. Trotzdem glaube ich, dass solche Projekte eine Brücke zwischen den Menschen sein können. Zwischen Menschen an verschiedenen Orten, auf verschiedenen Kontinenten, auf dem Wasser und auf dem Land, in der Wüste und in der Stadt. Je größer die Anzahl solcher „Brücken des Austauschs“ wird, desto mehr Menschen geben wir ein eine Plattform, die diese sonst meist nicht hätten. Davon profitieren wir alle!

9. Worüber wirst du in deinem nächsten Buch oder im nächsten Artikel schreiben?
Ich würde sehr gerne ein Buch über die Bewohner des Sine Saloum-Deltas im Senegal machen. Wenn sich eine NGO oder eine andere Partnerorganisation in diesem Bereich engagieren möchte, wäre ich sofort mit dabei! Ich habe außerdem gemeinsam mit meinem Co-Autor Antoine Barral ein Jugendbuch geschrieben: „Die Odyssee des Houmarou“. Das Buch, in dem das Thema der Ilias aufgenommen wird, ist eine afrikanische Version der Schriften von Homer und spielt an den Ufern des Niger. Das Pantheon ist geschaffen von Gottheiten der Peules, der Yoruba, der Bambara, der Songhaï.

In einem anderen Genre bewege ich mich mit einem Ratgeber für integriertes Management natürlicher Ressourcen, den ich gerade abschließe. Ich habe diesen Ratgeber im Auftrag der IUCN Senegal („Internationale Union für die Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen“) für Parlamentarier und Abgeordnete der sieben Küstenländer zwischen Mauretanien und Sierra Leone, einschließlich der Kapverdischen Inseln, geschrieben. Außerdem arbeite ich gerade – auch in Afrika - an einer Sammlung von Kurzgeschichten.

Bibliographie
Aux Editions Punctum: Bamako, là (2006)
Aux Editions Alternatives : Avoir Vingt Ans à Bamako (1999)
Aux Editions IRD: Vivre et Travailler dans le Delta du Fleuve Niger au Mali (2000)
Aux Editions UICN : Waza Logone, Histoires d’Eau et d’Hommes. Vivre dans la Plaine Inondable de Waza Logone au Cameroun (2002)

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